Flächenbrand Schule – kann KI unser Bildungssystem retten?

Geschrieben am
10.8.2023
von
Auf einen Blick
  • Die Besorgnis über die Rolle der künstlichen Intelligenz in der Bildung nimmt zu, die Authentizität von Schülerarbeiten wird in Frage gestellt und die Notwendigkeit von Prüfungen und Lehrplanüberarbeitungen wird diskutiert.  
  • Das derzeitige Bildungssystem hat mit Lehrermangel und hohem Verwaltungsaufwand zu kämpfen.
  • KI kann diese Herausforderungen lindern, indem sie Verwaltungsaufgaben automatisiert und Lehrer für ihre Kernaufgaben entlastet.
  • KI ist zwar ein leistungsfähiges Instrument, kann aber menschliche Lehrer nicht ersetzen, insbesondere nicht bei der Förderung sozialer und emotionaler Kompetenzen.
  • Ein effizienter und ethisch vertretbarer Einsatz von KI könnte der Schlüssel zur Lösung von Bildungsproblemen sein, einschließlich des Lehrermangels.

KI-Systeme, wie Chat GPT, sind derzeit in aller Munde. Von den einen gefürchtet, weil neuen, in diesem Fall revolutionären, Technologien oft etwas mystisches, sogar gefährliches unterstellt wird bergen diese Entwicklungen zugleich eine Vielzahl an Möglichkeiten. Im Falle der KI steht beispielsweise die Frage im Raum, wie man mit Hausarbeiten und Aufsätzen umgehen soll, wenn große Teile möglicherweise durch KI geschrieben wurden. Dabei stellen sich viele Fragen: Müssen Prüfungsordnungen geändert werden? Sind Lehrpläne überholt? Sind Inhalte, die eine KI ausgibt überhaupt objektiv richtig? Wie steht es um Aus- und Weiterbildung der Lehrkräfte? Sind bewährte didaktisch-pädagogische Ansätze noch tauglich?

Auswirkungen der KI im Bildungswesen

Die Auswirkungen der KI auf das Bildungssystem sind bereits spürbar und werden sich in Zukunft vermutlich weiter verstärken. Hier sind einige der wichtigsten Einflüsse, die die KI auf das Bildungssystem haben wird:

Personalisierung des Lernens: KI-Systeme können das Lernen personalisieren, indem sie den Schülern individuelle Lehrpläne anbieten, die auf ihren Stärken und Schwächen basieren. Durch die Analyse von Daten und das Verfolgen des Fortschritts können KI-Systeme das Lernen optimieren und Schülern dabei helfen, schneller und effektiver zu lernen, indem die Lerninhalte an den individuellen Stand des Einzelnen angepasst werden. In einer Klasse müssen im klassischen Unterricht immer Mittelwerte als Richtwert dienen. Das Problem dabei: Es gibt immer einen Teil der Schüler, die inhaltlich abgehängt werden, während andere unterfordert sind. Die Individualisierung der Inhalte und des Schwierigkeitsgrades bietet neue Möglichkeiten, um diese Herausforderung zu bewältigen. Dies führt zu einer besseren Bildungsqualität im Allgemeinen. Schnelles und personalisiertes Feedback hilft Schülern dabei, ihre eigenen Fähigkeiten besser einzuschätzen. Somit wird Bildung von einer „One-Size-Fits-All“-Situation zu einem individuellen Erlebnis, auf das der einzelne Schüler mehr Einfluss nehmen kann.

Automatisierung von Lehrprozessen: KI-Systeme können bei Aufgaben wie die Korrektur von Prüfungen, Aufsätzen und Hausaufgaben unterstützen. Dies sorgt auf Seiten der Lehrkräfte für mehr Freiräume für andere Aufgaben, wie beispielsweise der persönlichen Interaktion mit Schülern, psychologisch-pädagogischer Unterstützung oder auch der Entwicklung von Lehrplänen und Unterrichtskonzepten. Darüber hinaus kann künstliche Intelligenz dazu beitragen, den Fortschritt der Schüler besser zu verstehen. So können Warnsignale für Probleme früher und einfacher erkannt und schneller darauf eingegangen werden. Benötigt ein Schüler beispielsweise Unterstützung in einem bestimmten Bereich, kann dies frühzeitig erkannt werden. Der Konflikt zwischen der Situation etwas nicht zu verstehen auf der einen und dem unangenehmen Gefühl, dies vor der Klasse zugeben zu müssen, kann so aufgelöst werden.

Alles in allem können neue technische Lösungen dazu beitragen, Lehrkräfte zu entlasten und Ihnen die Möglichkeit zu geben, noch besser auf den Schülern als Menschen einzugehen. Administrative Aufgaben werden automatisiert und es bleibt mehr Zeit für die eigentlichen Kernkompetenzen, wie die pädagogische Unterstützung der Schüler und die Entwicklungen neuer Lehrinhalte und -konzepte. Dies ist gerade in Zeiten des akuten Lehrermangels eine große Chance.

Digitalisierung und KI haben erheblichen Einfluss auf die Didaktik im Unterricht

Durch die neuen Möglichkeiten durch künstliche Intelligenz aber auch digitale Lehrmittel verändert sich auch die Didaktik. Dies ist ein kritischer Bestandteil der Digitalisierung des Bildungssystems, da viele Potentiale nicht ausgeschöpft werden können, sollte die Art und Weise des Unterrichts nicht an die neuen Technologien angepasst werden. Nachfolgend werden einige Möglichkeiten beschrieben, in die sich die neue digitale Didaktik entwickeln kann:

Die Digitalisierung des Bildungswesens ermöglicht neue Wege der Lernindividualisierung. Durch den Einsatz digitaler Medien können Schülerinnen und Schüler das Tempo und die Art und Weise des Lernprozesses beeinflussen. Sie erhalten somit mehr Kontrolle über ihren eigenen Lernprozess. Außerdem erlaubt es Lehrkäften, verstärkt auf individuelle Unterrichtsmethoden zu setzen und besser auf die Bedürfnisse des Einzelnen einzugehen.

Doch es gibt auch andere Bereiche, die von dem Einsatz digitaler Technologie profitieren können. So ergeben sich beispielsweise neue Möglichkeiten für Zusammenarbeit und kollaboratives Lernen, eine Fähigkeit die in der heutigen Welt zunehmend von Bedeutung ist. Digitale Plattformen und Tools können dazu genutzt werden, Gruppenarbeiten zu erleichtern, Diskussionen zu fördern und ggf. auch externe Experten remote an der Arbeit zu beteiligen. Dies ermöglicht bessere Ergebnisse und schult darüber hinaus die sozialen Kompetenzen und Soft Skills.

Eine weitere Auswirkung ist der einfache, schnelle und vielfältige Zugang zu Informationen. Durch die Digitalisierung hat sich unser aller Umgang mit Informationen stark verändert und fordert neue Kompetenzen. Neben dem Zugang zu einer Fülle an Ressourcen für die Schülerinnen und Schüler und der breiten Palette an Online-Material für Lehrerinnen und Lehrer, wird die Ausbildung durch den Einbezug neuer Informationsquellen um einen essenziellen Bestandteil ergänzt: Der Kompetenz im Umgang mit Medien und Informationen. Junge Menschen können so lernen, die Potentiale auszunutzen und gleichzeitig besser auf die Gefahren durch Fehlinformation oder gewalttätige Inhalte vorbereitet werden.

Lernen ist ein Prozess, der sämtliche Sinne einbezieht. Durch die Einbindung multimedialer Elemente kann eine neue Dimension des Lernens erreicht werden. Digitale Medien tragen mit Videos, Bildern und Animationen dazu bei, komplexe Konzepte zu erklären und das Verständnis zu fördern. Durch immersive Technologie wird darüber hinaus die Merkfähigkeit erhöht, da Inhalte nicht nur theoretisch begriffen, sondern tatsächlich erlebt werden können. Ein wichtiger Bestandteil können hier Virtual und Augmented Reality sein. Durch die Nutzung von VR/AR-Brillen, können historische Ereignisse, chemische Reaktionen und geometrische Konzepte greifbar gemacht werden.

Durch diese Entwicklungen verändert sich zunehmend das Verhältnis von Lehrern und Schülern. Lehrkräfte werden zunehmend zu Lernbegleitern, die Schülerinnen und Schüler dabei unterstützen, ihre Fähigkeiten im Umgang mit digitalen Medien und ihre Kompetenz, selbstbestimmt zu lernen, zu entwickeln. Dies erfordert ein eigenständigeres und selbstverantwortliches Arbeiten seitens der Schüler. Die Rolle der Schule verschiebt sich also mehr und mehr hin zur Vermittlung von Softskills. Dabei sollte erwähnt werden, dass KI-Systeme im Speziellen und Digitalisierung im Allgemeinen nicht das menschliche Element des Bildungsprozesses ersetzen können und sollten. Lehrkräfte und menschliche Interaktion bleiben unverzichtbar für die Bildung und für die Entwicklung von Schülern. Die Aufgabe ist also, neue Technologie und menschliche, pädagogische Entwicklung zu kombinieren.

Lehrermangel: Unser Bildungssystem steht vor multiplen Problemen!

Wir haben einen akuten Lehrermangel während Lehrkräfte gleichzeitig immer höheren und oft unterrichtsfernen Anforderungen ausgesetzt sind. Administrative Tätigkeiten nehmen teilweise 50% der Arbeitszeit eines Lehrers ein. Zeit, die für den eigentlichen Bildungsauftrag verloren ist und das Problem zusätzlich massiv verschärft.

Quelle: Institut der deutschen Wirtschaft - Lehrkräfte in Deutschland, der Bedarf steigt.

KI-Systeme als Lösung für den Lehrermangel?

KI-Systeme können dazu beitragen, den Lehrermangel zu mildern, indem sie Lehrkräfte entlasten und ihnen bei der Bewältigung administrativer Aufgaben helfen. KI-Systeme ersetzen den Bedarf an qualifizierten Lehrkräften nicht, insbesondere wenn es um die Interaktion mit Schülern und die Förderung sozialer und emotionaler Kompetenzen geht. Lehrkräfte bleiben unverzichtbar für die Bildung und Entwicklung von Schülern, und KI-Systeme sollten als Hilfsmittel zur Unterstützung von Lehrkräften eingesetzt werden, anstatt sie zu ersetzen.

Würde ein Großteil der bis zu 50% unterrichtsfremden Zeiten von Lehrern – sagen wir mal die Hälfte dieser Tätigkeiten – für die Tätigkeiten zur Verfügung stehen, wofür Lehrer ausgebildet wurden, könnte der Lehrermangel nachhaltig behoben werden.

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